Die jüngste Insel wächst
Schleswig-Holsteins neue Insel Norderoogsand entwickelt sich prächtig, sie ist für Tiere reserviert – Zutritt für Menschen ist streng verboten
Norderoogsand Nordfrieslands neue Insel Norderoogsand entwickelt sich prächtig. Das 15 Hektar große Eiland im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer ist mittlerweile Nistplatz seltener Vogelarten geworden. Im vergangenen Jahr zählten die Biologen rund 250 Brutvogelpaare auf der Insel, sagt Martin Stock vom Nationalparkamt. Der Biologe beobachtet die Entstehung des kleinen Eilands seit mehr als zehn Jahren. „Es ist eine richtige Vogelinsel geworden.“
Auf die Entstehung der Insel waren Umweltschützer vom Verein Jordsand aufmerksam geworden. Sie betreuen eine acht Kilometer lange und drei Kilometer breite Sandbank 25 Kilometer westlich von Husum. Im Sommer flirrt die Luft über der 895 Hektar großen, Sahara- ähnlichen „Sandkiste“. 1999 entdeckten die Umweltschützer an der Nordspitze der Sandbank plötzlich kleine Hügel: Wie aus dem Nichts hatten sich dort erste, sogenannten Primär-Dünen aufgetürmt. Die heimlichen Dünenbauer waren zwei unscheinbare, aber äußerst robuste Pflänzchen. „Zunächst siedeln sich auf den höheren Buckeln einzelne Salzmieren an. Dann folgt die Binsenquecke“, sagt Stock. Beide Pflanzen können dem „Sandstrahlgebläse“ des Flugsandes widerstehen und befestigen ihn mit ihren Wurzeln, erklärt der Experte. Später kommen dann andere Pflanzen wie Strandhafer, Dreizack, Wermut und Keilmelde hinzu. Mittlerweile erhebt sich Norderoogsands höchste Düne bereits 3,50 Meter über den Meeresspiegel – das ist doppelt so hoch wie 2006/7. Und in den Dünentälern gibt erste Anzeichen von Salzwiesen. „2012 haben wir 49 Pflanzenarten gezählt – zehnmal mehr als fünf Jahre zuvor“, sagt Stock. Diese Dünenlandschaft bietet Käfern, Schwebfliegen und anderen Insekten Lebensraum, aber auch den Brutvögeln. Mittlerweile brüten Silbermöwen und Heringsmöwen, Austernfischer, Eiderenten, Graugänse und Sandregenpfeifer auf dem Eiland. Und seit 2008 konnte Stock sogar einen Wanderfalken beobachten.
Norderoogsand ist aber nicht nur Kinderstube der Vögel, sondern auch wichtiger Rastplatz während des Vogelzugs, weiß der Insel-Experte. Dann halten sich Gänse und Entenvögel sowie diverse Watvogel-Arten in Schwärmen von mehreren tausend Tieren dort auf. Dazu kommen Robben: „Ein paar hundert Seehunde sowie vereinzelte Kegelrobben nutzen Norderoogsand als Ruheplatz.“ Seehund-Mütter lassen ihren Nachwuchs auf der neuen Insel warten, während sie im Wattenmeer auf die Jagd gehen.
Und wie sieht die Zukunft Norderoogsands aus? Ob das Eiland weiter wächst oder wieder vom Meer verschlungen wird, weiß niemand, sagt Stock. „Wir hatten Glück, dass wir in den vergangenen Jahren wenige Sturmfluten hatten.“ Einer zweieinhalb Meter hohen Flut in diesem Frühjahr habe die Insel standgehalten. Außerdem liegt Norderoogsand im Wind- und Strömungsschutz anderer großer Sandbänke wie Jungnamensand, Japsand und Kniepsand. Nur eins ist sicher: Trotz traumhafter kilometerlanger Sandstrände wird Schleswig-Holsteins neue Insel niemals zur Tourismus-Attraktion. Norderoogsand liegt mitten im am besten geschützten Bereich des Nationalparks. Betreten ist für Menschen normalerweise verboten, nur für Naturschützer gibt es Ausnahmen.
Sylter Rundschau Wolfgang Runge, dpa