Plastiktüten – 500 Jahre Gefahr für die Meere
Rückendeckung für mehr Engagement gegen Plastikmüll bekommt Umweltminister Robert Habeck von Wissenschaftlern und Umweltverbänden. „Durch die Wellen und UV-Licht lösen sich im Wasser kleine und kleinste Plastikpartikel ab, die von den Meeresorganismen aufgenommen werden“, warnt Ulrike Kronfeld-Goharani. Die Ozeanographin beschäftigt sich an der Kieler Universität in einem interdisziplinären Forschungsprojekt mit Stressfaktoren für das Meer. Vom Wasser aufgeblähte Tüten würden von manchen Tieren mit Quallen verwechselt, Plastikpartikel mit Plankton. „Man verwendet eine Plastiktüte oft nur fünf Minuten – aber es dauert fast 500 Jahre, bis sie sich vollständig zersetzt hat“, gibt die Wissenschaftlerin zu bedenken. „Das Problem droht sich auf die Nahrungskette zu verlagern“, sagt Gunnar Gerdts vom Alfred-Wegener-Institut auf Helgoland. Deshalb lässt das Bundesforschungsministerium von ihm derzeit vor der Felseninsel mit einem Infrarot-Tauchgerät untersuchen, wie sich mikroskopisch kleine Plastikteilchen konkret auf Fische, Krabben, Plankton und Sedimentstreifen verteilen. Mit Ergebnissen rechnet Gerdts erst in anderthalb Jahren. In dieser Woche kommt der Spezialist im Bundesforschungsministerium mit Kollegen aus einem Dutzend anderer europäischer Länder zusammen, um gemeinsame Ansätze für Untersuchungen der Gefahr von Plastikmüll zu erörtern. Im internationalen Vergleich fällt dem Helgoländer auf: „Gerade die Nordsee ist da eher unerforscht.“ „Politisch wurde viel Zeit verschlafen“, bemängelt der Meeresschutzexperte des Naturschutzbundes (Nabu), Kim Cornelius Detloff. Der Nabu hat vor zwei Jahren zunächst auf Fehmarn und in Heiligenhafen, mittlerweile auch in fünf ostfriesischen Häfen das Projekt „Fishing for litter“ initiiert. Dabei übernehmen Fischer die Aufgabe, Müll aus dem Meer anzulanden. „Mehr davon!“ wünscht sich Habeck. Er sagt Unterstützung des Landes, etwa für die Kosten der Entsorgung, zu. „Meerespolitik ist viel komplizierter als Politik an Land“, erlebt der Umweltminister. Was allen gehöre, gehöre im landläufigen Verständnis gleichzeitig auch niemandem. „Wir müssen umdenken. Weil das Meer allen gehört, sind alle in der Pflicht, es auch zu schützen.“
Entnommen aus: Sylter Rundschau, 17. Juli 2013