Weißwangengänse – Winterurlaub auch in Mitteleuropa
Nun steht der Winter vor der Tür und mit Ihm auch zahlreiche Zugvögel, die bei uns überwintern wollen. Im Zuge der alle zwei Wochen stattfindenden Springtidenzählung (Vollmond & Neumond) oder Gänsezählung (Halbmond) werden die Vogelbestände aufgenommen. Die Naturschutzgemeinschaft Sylt e.V. hat ebenfalls diverse Zählgebiete, die es auszuzählen gilt und gerade zur kalten Jahreszeit ist ein jeder Mitarbeiter dankbar für die zusätzliche Arbeit an der frischen Luft. Mit Stativ und Spektiv bewaffnet geht es dann zwischen Morsum und Kampen mit dem Fahrrad auf zur Vogelzählung.
Ein ebenso interessanter wie auch hübsch anzusehender Gast ist die Weißwangengans (Branta leucopsis). Sie wird auch Nonnengans genannt und zählt mit Ihrem Bestand von ca. 440.000 Tieren weltweit (IUCN) zu den ungefährdeten Arten. Das äußere Erscheinungsbild von Altvögeln wird vom weißen Gesicht und der weißen Stirn im Kontrast zum Schwarz des Halses und des Schnabels geprägt. Eine ausgewachsene Weißwangengans ist zwischen 58-69 cm groß und wiegt dabei ungefähr anderthalb bis zwei Kilogramm.
Schon seit Ende der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts findet man sie zwischen Herbst und Frühling in Mitteleuropa als Wintergast. Denn als Zugvogel benötigt die Weißwangengans einen angemessenen Ort als Winterquartier und da schlägt sie auch Sylt sowie das umliegende Schleswig-Holsteinische Wattenmeer inklusive reichem Nahrungsangebot nicht mehr aus. Wichtig ist dabei zu wissen, dass die Flugrouten bei Weißwangengänsen nicht über das Genom, sondern innerhalb von mittlerweile vier Teilpopulationen weitergegeben werden. Weißwangengänse ernähren sich wie alle Gänse fast ausschließlich vegetarisch. Favorisiert werden Gräser von Salz- und Brackwasserwiesen wie beispielsweise Andelgras aber auch Queller. Hin und wieder ein Krebstierchen oder Wasserinsekt komplettiert den Speiseplan.
Ende Mai bis Anfang Juni werden zur Brut Felsvorsprünge oder -abhänge an der arktischen Meeresküste bevorzugt. Die Elternvögel selbst zeigen eine große Partnertreue und wechseln oftmals nur nach Todesfall den Partner. Ihre Gelege haben meist eine Größe von vier bis fünf Eiern und nach ungefähr 24-25 Tagen sind diese dann vom Weibchen ausgebrütet. Die Dunenküken sind Nestflüchter. Dies hat zur Folge, dass die jungen Küken von den Steilwänden der arktischen Küsten hinunterspringen müssen um mit ihren Eltern zum Futter zu gelangen. Dabei polstert sie ihr von Daunen dominiertes Federkleid in Kombination mit ihrem geringen Gewicht, jedoch überlebt eine Vielzahl den Aufprall auf die Felsen nicht. Eine weitere Gefahr stellen als natürliche Feinde Polarfüchse dar, denn für diese sind Weißwangengansküken eine leichte Beute. Nach sieben Wochen sind die Jungvögel flügge, wobei sie sich noch eine Weile in der Nähe der Elternvögel befinden.
Bald schon ist der Sommer vorbei und die Weißwangengänse machen sich langsam auf den Weg in Ihre Überwinterungsgebiete. So manche wird dabei auch wieder uns vors Spektiv laufen und gezählt werden.
André Querbach